Catania –  Santa Maria Di Leuca – Korfu

320 Seemeilen in 46 Stunden

Es ist Sonntag. Die ersten 36 Stunden auf dem Meer liegen hinter uns. Zeit zum Durchatmen und zum Beine vertreten.

Allerdings sind wir noch nicht am ursprünglichen Ziel Korfu angekommen, sondern an der äußersten Absatzspitze Italiens. Der Wind hat uns im Stich gelassen und wir haben umgeplant.

Am Freitag morgen verlassen wir Catania. Die Sonne ist gerade aufgegangen und taucht die Küste Siziliens in ein warmes, orangefarbenes Licht. Der über 3000 Meter hohe Ätna ragt in die Höhe und dominiert die Landschaft. Seit Tagen spuckt er Rauch und Asche. Ein dicker, nebliger Schleier hängt in der Luft und permanent regnet es Asche vom Himmel.

Unser Ziel heißt Korfu. Rund 270 Seemeilen (500 Kilometer) liegen vor uns. Für die Überfahrt sind wir zu zweit, Guido und ich, was für mich ein echtes Abenteuer bedeutet.

Die ersten Stunden verlaufen sehr ruhig, es hat kaum Wind, so dass wir motoren. Das Meer ist glatt wie Seide. Keine Welle bewegt das Wasser und es scheint, als blieben wir und die Zeit stehen. Nur das Rauschen des Motors und der Blick zurück beweisen, dass wir uns durch die scheinbar endlose blaue Weite bewegen. Ich verfalle in einen angenehmen Zustand der Trägheit und genieße es, einfach nur aufs Meer zu schauen und meinen Blick und meine Gedanken schweifen zu lassen.

Auf einmal sehe ich, wie sich in einiger Entfernung etwas regt und mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu bewegt. Guido sieht es auch – Delfine! Und dann sind sie auch schon da, schwimmen am Bug des Schiffes entlang, springen aus dem Wasser und begleiten uns eine Weile, bis sie genau so schnell wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Was für wunderschöne Tiere.

In der Nacht während meiner Wache sehe ich vom Wasser aus die Lichter in den kleinen kalabrischen Orten und stelle mir vor, wie die Menschen dort zusammen sitzen, Pasta und Fisch essen und Wein trinken, während wir auf der Imperia durch die sternenklare Nacht segeln.

Der neue Tag beginnt ruhig, noch immer hat es wenig Wind und wir entscheiden uns, den Kurs zu ändern und es entspannt anzugehen, anstatt weiter in Richtung Griechenland zu segeln. Unter den aktuellen Bedingungen würden wir nochmals eine Nacht brauchen und schließlich in der Dunkelheit nach über 40 Stunden auf See vor Korfu angekommen. Das wollen wir uns dann doch nicht antun. Deshalb die Kursänderung in Richtung Santa Maria Di Leuca, den äußersten Absatzzipfel des italienischen Stiefels. Von dort sind es dann nochmal 10 Stunden bis zum finalen Hafen auf Korfu.

Guido steckt sich eine Zigarette an und wirft die Angel aus.

Auch heute haben wir Glück und Besuch von Delfinen. Und nicht nur das, in einiger Entfernung entdecken wir eine Gruppe von Walen, deren riesige Schwanzflossen aus dem Wasser ragen. Und dann zuckt auch noch die Angel. Ein Fisch hat angebissen und er muss ziemlich groß sein, denn sie biegt sich dramatisch durch.

Wir stürzen auf die Gerte und fangen an zu kurbeln. Der Widerstand ist ziemlich groß, das Tier kämpft und wir lassen ihm Zeit. Nach ca 10 Minuten schimmert uns der grünblaue, gut 120 cm lange Körper eines Mahi Mahi entgegen. Die Angel biegt sich und wir ziehen den 6 Kilo schweren, wunderschönen Fisch aufs Boot. Allerdings ist er so schön, dass ich es einfach nicht übers Herz bringe, ihn mir im Kochtopf vorzustellen. Guido hat Erbarmen und wir entlassen ihn wieder ins Meer.

Ansonsten verläuft die Fahrt ruhig und wir kommen nachmittags ohne weitere Zwischenfälle in  Santa Maria Di Leuca an.

Am nächsten Morgen legen wir früh ab in Richtung Korfu. 63 Seemeilen, gut 10 Stunden liegen vor uns. Ich wache mit schrecklichen Kopfschmerzen auf, was ich sonst garnicht kenne. Noch immer haben wir wenig Wind und motoren durch das Ionische Meer. Entschleunigung und Geduld sind angesagt. Wenn man aus der Hektik der Stadt kommt, ist das garnicht so einfach.

Wie ein Schleier liegt hellblauer Dunst auf der Wasseroberfläche und verhüllt den Blick auf die Küste Italiens, von der wir uns immer weiter entfernen. Mir fällt Odysseus, der Seefahrer ein. Mein Bruder hatte dieses Buch zur Kommunion geschenkt bekommen und ich habe es geliebt.

Nach 6 Stunden Fahrt überlegen wir uns einen weiteren Zwischenstop auf einer kleinen Insel vor Korfu einzulegen. Ich wollte gerade unter Deck gehen, als uns eine starke seitliche Böe mit ca. 30 Knoten, das sind gut 50 km/h trifft. Ich drehe mich zu Guido um und sehen, wie er das Ruder versucht zu halten. Das Schiff kränkt stark und die automatische Windsteuerung fällt aus. Wir sind unter Vollbesegelung zwischen zwei Landstrichen und der Wind treibt uns in Richtung Felsen. Mein Puls rast, meine Kopfschmerzen sind mit einem Mal verschwunden. Ich stürze zu Guido, gemeinsam steuern wir die Imperia in den Wind, damit wir das Vorsegel einholen können und das Groß reffen. Gut 15 Minuten kämpfen wir mit extremen Böen und Wellen, bis wir die Lage im Griff haben. Anstatt die Insel anzusteuern, entschließen wir uns den Wind zu nutzen und weiter nach Korfu zu segeln.

Wir haben riesiges Glück und finden eine kleine, geschützte, wunderschöne Bucht mit einer fantastischen Taverne am Ufer, die wir allerdings erst am Tag darauf besuchen.

Wir werfen den Anker und ich falle sofort ins Bett und schlafe 12 Stunden. Nach dem Aufstehen serviert mir Guido einen leckeren Obstsalat, die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau und die Strapazen der Überfahrt sind auf einmal wie weggeblasen. Wir sind gut angekommen, haben es zu Zweit geschafft.

Die nächsten beiden Tage bist zu meinem Rückflug nach Berlin genießen wir die tolle Landschaft, den Blick auf die gegenüberliegende Küste und Berge Albaniens, das tolle griechische Essen, die Freundlichkeit der Menschen und das kristallblaue, klare Wasser des ionischen Meers.

Danke für den tollen Trip lieber Guido!