Von Madeira nach Teneriffa

Endlich ist es soweit.

Mein Wecker klingelt am Donnerstag früh um 3 Uhr. Die Maschine nach Madeira geht um 6 Uhr.

Auf diesen Tag habe ich mich seit zwei Wochen gefreut, seit ich mit Guido telefoniert habe und er mir erzählt hat, dass er Mitte September von Madeira nach Teneriffa segeln wird.

280 Seemeilen, 48 Stunden über den Atlantik – non stop. Genau das brauchte ich jetzt, raus aus der Stadt und der Routine, rein ins Abenteuer. Ich hab sofort zugesagt.

Ein paar Tage vor meiner Abreise wurde ich dann doch etwas nervös. Wie wird es sein, 2 Tage und 2 Nächte auf einem Ozean mit einer Fläche von 106.500.000 qkm und einer mittleren Tiefe von ca 4.000 Metern. Stunden durch die Dunkelheit bei Wind und Welle und weit und breit kein Land in Sicht?

Guido erwartet mich und den Rest der Crew am Flughafen Cristiano Ronaldo in Santa Cruz und ich lerne Mike aus der Nähe von Düsseldorf und Thomas und Manuel aus Breisach kennen. Mike und Thomas sind erfahrene Segler, Manuel ist das erste Mal überhaupt auf einem Segelboot. Als Wannsee Seglerin mit ein paar Mittelmeer Törns bin also in guter Gesellschaft 🙂

Gemeinsam fahren wir zur Marina Quinta do Lorde. Der Hafen ist Teil eines Hotelressorts, das jedoch auf Grund coronabedingter geringer Besucherzahlen geschlossen ist und liegt etwas abgelegen. Der Weg dahin führt uns durch steinige, trockene Landstriche mit atemberaubender Aussicht. Die Blumeninsel Madeira von ihrer rauen Seite. Toll!

Wir lassen es ruhig angehen, kommen erstmal an und beenden den Tag bei Fisch und Wein in einem tollen Lokal zwischen Einheimischen, die wie wir den angenehm warmen Abend genießen.

Freitag morgen, die Sonne scheint! Im menschenleeren Ressort gibt es einen Naturpool, ein aus natürlichem vulkanischen Felsen geformtes Schwimmbecken, das direkt ans Meer angrenzt. Heute erscheint der Atlantik so ruhig wie ein See, so dass sich Himmel und Sonne in seiner Oberfläche in einem klaren Bild widerspiegeln. Der Pool scheint unendlich und unheimlich verlockend und wir stürzen uns hinein.

Für heute hat Guido eine Inselrundfahrt geplant. Erfrischt machen wir uns auf den Weg, alle in den Bus, den Guido für uns geliehen hat. Unser erstes Ziel ist die Markthalle von Funchal. Blumen, Obst, Gemüse, Stoffe, Keramik, Fisch, bunte Farben und Gerüche und ein fantastisches Frühstück auf der Terrasse.

Weiter geht es zu einer der höchsten Klippen der Erde, Cabo Girao, 589 Meter über dem Meeresspiegel. Von oben kann man durch eine Glasplatte in die Tiefe sehen. Atemberaubend!

Im kleinen Cafe auf dem Berg trinken wir einen super leckeren Espresso und machen uns dann auf den Weg nach Porto Moniz. Was uns dort erwartet, habe ich zuvor noch nie gesehen. Umgeben von einer beeindruckend steilen Berglandschaft erstreckt sich ein kilometerlanger Küstenabschnitt mit türkisfarbenen, vom Lavafelsen ummantelten Lavapools. Große Wellen rollen auf die Felsen zu, brechen sich an diesen und stürzen über den Beckenrand, wobei sie meterhohe salzige Gischt durch die Luft schleudern. Ein fantastischer Anblick.

Auf dem Rückweg fährt Guido abrupt rechts ran. „Hey, Guido, was ist los?“ „Zeit für einen Apéro“… natürlich Poncha, das traditionelle Getränk auf Madeira. Sie besteht typischerweise aus Aguardente de cana-de-açúcar, einem madeirischen Brand aus frischem Zuckerrohrsaft, Bienenhonig und einheimischen Zitronen. Die Kneipe ist gut besucht, die Drinks lecker und es bleibt nicht bei einem Glas. Gut gelaunt machen wir uns später auf den Weg den Tag in einem tollen, traditionellen Restaurant in Funchal zu beenden.

Es ist Samstag und unsere Abreise in Richtung Kanaren steht kurz bevor. Da wir planen, Teneriffa im Hellen zu erreichen, legen wir nach einer ausführlichen Sicherheitseinweisung von unserem Skipper Guido gegen 13 Uhr ab. Ich bin beeindruckt, wie gut und technisch hochwertig die Imperia ausgestattet ist. Rettungswesten mit AIS, Satellitentelefon, AIS Seenotsender und sogar eine Axt, damit wir im Falle, dass wir Leck schlagen die Einrichtung zertrümmern können, um an das Leck ranzukommen …  das Ganze zeigt mir, dass Guido sich viele Gedanken zum Thema Sicherheit gemacht und nicht daran gespart hat, sich selbst und seiner Crew eine sichere Reise zu ermöglichen. Nochmal Danke dafür!!!

Als wir ablegen ist die See ruhig, der Himmel klar und die Stimmung gut. Nach ein paar Stunden verschwindet Madeira langsam hinter uns im Dunst und wir segeln auf dem offenen Meer dem ersten Sonnenuntergang unserer Überfahrt entgegen. Guido kocht eine Suppe für uns und während wir an Deck sitzen und zusammen essen, wird es langsam dunkel.

Eine Nacht auf dem Ozean kann sehr dunkel und sehr lang sein. Die Phase zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang beginnt rot, wandelt sich in Grau und endet schließlich in tiefem Schwarz. Den Horizont vom Meeresspiegel zu unterscheiden gelingt nicht mehr.

Der Wind frischt auf. Imperia ist ein schnelles Schiff und bei bis zu 28 Knoten (ca. 50 kmh) Wind bei 110 qm Segelfläche bekommen wir richtig Fahrt und rauschen durch einen dunklen Raum ohne die Richtung mit bloßem Auge zu erkennen.

Den ersten Stern zu entdecken kommt mir vor wie einen lieben Freund zu sehen, den ich lange vermisst habe und der mich jetzt fröhlich anlächelt. Wir haben Glück, es ist eine klare Nacht und der Himmel voll von Sternen. Die Milchstraße strahlt uns an. Ich freue mich darüber und fühle mich auf dem riesigen, wogenden, unruhigen Ozean unter dem scheinbar endlosen Firmament auf unserer  „Nussschale“ einerseits winzig klein und am falschen Ort und dabei gleichzeitig als ein mit Allem verbundener Teil des Ganzen.

Zu zweit schieben wir im Stundenrhythmus Wache an Deck. Behalten das Radar im Auge, den Kurs und das Meer im Blick auf entgegenkommende Schiffe oder eventuelle Hindernisse. Alles verläuft ruhig.

Am nächsten Tag haben Wind und Welle zugelegt. 3,5 bis 4 Meter von der Seite. Ich verzichte direkt in die Wellentäler zu sehen. Zähneputzen fällt ebenfalls für mich aus.

Manuel sagt die Meerestiefe an: 4.000 Meter. Das ist mehr, als ein Sportflugzeug über der Erde fliegt. Wir angeln, reden, schlafen, genießen die Fahrt und die Freiheit. Kein Handy, kein Anschluss unter dieser Nummer, nur Wind, Welle und Raum die Gedanken schweifen zu lassen. Guido verwöhnt uns mit seinen Kochkünsten – heute gibt es Tagliatelle mit Steinpilzen – und keiner hat die Fische gefüttert.

Gegen Abend kommen Mike und Thomas auf die Idee, auf dem Weg nach Teneriffa an La Palma vorbei zu segeln. Wir könnten uns vom Schiff aus den Lavastrom des noch immer aktiven Vulkans  ansehen. Also beschließen wir, den Kurs zu ändern und in Richtung La Palma zu segeln.

Nach einer unruhigen Nacht nähern wir uns nach 45 Stunden gegen 5 Uhr Morgens der vom Vulkanausbruch verschonten Ostseite der Insel. Es ist noch immer Dunkel und trotzdem zeichnet sich von weitem eine große dunkle Wolke über der Insel ab. Plötzlich brennen mir die Augen und ich spüre kleine Staubpartikel in meinen Augen und zwischen meinen Zähnen. Guido und Manuel sind ebenfalls an Deck. Diese Wolke wirkt bedrohlich, die Situation nicht richtig einschätzbar. Es herrscht eine unheimliche Atmosphäre.

Wir überlegen nur kurz ob wir wirklich anlegen wollen. Zwar sind wir müde und haben uns schon darauf gefreut endlich anzukommen. Aber wir entscheiden uns dagegen. Zu unsicher, unnötig und riskant. Also drehen wir ab, dann doch Richtung Teneriffa – 10  weitere Stunden auf unruhiger See liegen vor uns.

Als es Tag wird, wird uns klar, was da auf uns herunter geregnet ist. Schwarze Asche. Das gesamte Boot ist von einem schwarzen Schleier überzogen. Was wir gesehen haben, war eine riesige Aschewolke, die sich über La Palma zu einem gigantischen Schatten zusammen gezogen hat. Es war also die richtige Entscheidung La Palma den Rücken zuzukehren.

Nach 55 Stunden um 330 Seemeilen laufen wir in die Marina San Miguel im Süden von Teneriffa ein. Die letzten 3 Stunden haben uns Wind und Welle von vorn nochmals ziemlich zu schaffen gemacht. Aber es gab auch ein Highlight. Ich habe meine ersten Wale gesehen. Und zwar nicht nur einen, sondern ganze Gruppen von Grindwalen, die vor der Küste Teneriffas leben.

Anzulanden war ein tolles Gefühl. Vor uns liegen noch 2 Tage Sommer auf Teneriffa bevor es zurück geht nach hause.

Wir nutzen Sie um auszuschlafen, für einen langen Spaziergang entlang des Atlantiks und um das tolle Abenteuer ordentlich zu feiern.

Danke Euch Guido und Imperia und der super Crew Manuel, Mike und Thomas für die tolle, intensive Zeit.

Susanne